Lesung mit Jasmin Ciplak
Am 19. Oktober durfte die Q3 der Albert-Einstein-Schule eine ehemalige Schülerin zu einem ungewöhnlichen Ereignis begrüßen.
2018 hat Jasmin Ciplak, damals hieß sie noch Veith, die AES mit einem hervorragenden Abitur verlassen, um zunächst zu einem entwicklungspolitischen Freiwilligendienst nach Togo aufzubrechen. Genau darum ging es auch in ihrer Lesung.
Nur fünf Jahre später kehrt sie als erfolgreiche Jungautorin an ihre alte Schule zurück und liest aus ihrem Erstlingswerk „Mit dem Blindenstock nach Togo“
Die Vorstellung und Einleitung übernimmt Frau Després, sie war die Deutschlehrerin von Jasmin und hat auch mit ihr zusammen die Abiturprüfung erlebt. Umso schöner, dass sie jetzt bei der Frankfurter Buchmesse ihr Werk vorstellt und auch das ZDF einen Bericht über sie bringen wird, den man am 18. November um 11.55 Uhr anschauen kann. https://www.zdf.de/gesellschaft/einfach-mensch/einfach-mensch-vom-18-november-2023-100.html
Aus ihrem Gespräch weiß Frau Després, dass es für Jasmin eine Premiere und sie entsprechend aufgeregt vor ihrer ersten Lesung ist. Als ob das andere Ende der Welt nicht schon herausfordernd genug sei, wie der Titel des Buches vermuten lässt, hat Jasmin eine Sehbehinderung und nach ihrem Abitur, also zu Beginn ihres FSJ, hat sie noch 10% Sehfähigkeit.
Stoff genug, um ein Buch zu schreiben und das stellt sie nun vor. Sie zeigt die Passagen, die sie lesen wird, sie hat sie in ihrer Sonderausgabe noch einmal zusätzlich vergrößert. Das ist dann aber auch fast schon alles, was die Schüler unmittelbar von ihrer Sehbehinderung mitbekommen.
Sie beginnt ihre Lesung mit den Worten: „Ich bin Jasmin, 23 Jahre und vor 5 Jahren war ich auch in der Q3, ich sehe noch 4 %“.
In der Einleitung, die sie vorliest, ist dies aber nur ein Aspekt, ebenso wichtig ist ihr das Thema Rassismus, das sie schon auf der ersten Seite für die Schüler von einer ganz anderen Seite beleuchtet. Es ist ihr ein Anliegen, sich von vielen anderen Autoren, die die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent als „exotisch“ beschreiben, abzuheben. Sie hat z.B. ihre Gastbrüder- und schwestern so wie ihre Mitabiturienten wahrgenommen, als junge Menschen, die beginnen ihren eigenen Weg zu gehen, mit ähnlichen Wünschen und Träumen und Problemen.
Die erste Herausforderung ihrer Reise wird die Sicherheitskontrolle am Flughafen: Ihre Leselupe wird für eine Bombe gehalten. Weiter geht es mit Verständigungsproblemen, da ihr „eingerostetes“ Französisch im Flugzeug nicht verstanden wird, und der ersten Malariainfektion. Aber trotz der Widrigkeiten hat man nicht einen Augenblick das Gefühl, sie hätte ihre Entscheidung bereut.
Für die Schülerinnen und Schüler der Q3, die an der gleichen Stelle ihres Lebens stehen und viele, genau wie Jasmin zu diesem Zeitpunkt, nicht wissen, was jetzt kommen soll, ist dies eine wunderbare Aufforderung, mutig nach vorne zu sehen und etwas zu wagen.
Sie liest von den ersten grundlegenden Erfahrungen in dem bisher unbekannten Land, alltagswichtige Tätigkeiten und Notwendigkeiten, z.B. Wasser in Tüten statt aus Flaschen, einen begrenzteren Zugang zu Technik und Wasser zum Waschen aus dem Brunnen schöpfen. Sie schildert die erste abenteuerliche Fahrt mit dem Fortbewegungsmittel Nummer eins, dem Moto. Bis zur Ankunft an dem Ort, an dem sie ihren Freiwilligendienst in einer Bibliothek beginnt, ist es ein langer Weg, viele Stationen bis zum Einsatzort, dem Dorf Balanka.
Wie sie „heimisch“ wird im Dorf, nach einiger Zeit die Vorurteile beim Zusammentreffen einer Besuchergruppe aus Deutschland und der Dorfbevölkerung aus einer ganz anderen Perspektive wahrnimmt und der Besuch bei ihren Gastbrüdern, die sich in einem anderen Schulsystem arrangieren, als sie es von zu Hause gewöhnt ist und der Eindruck, den sie vom Schulsystem dort gewinnt, all das stellt sie – schon im Vorwort – ganz klar als ihren persönlichen subjektiven Eindruck dar und kommt keinesfalls mit dem moralischen Zeigefinger. Es gelingt ihr schon in diesen kurzen Abschnitten, ihre Anliegen, die Arbeit gegen den Rassismus und die Aufmerksamkeit für Menschen mit Sehbehinderung auf sympathische und unaufdringliche Art deutlich zu machen.
Auf Fragen der Schüler zur Sicherheitslage in Togo kann Jasmin Entwarnung geben. Sie fühlte sich während ihres Auslandsdienstes sicher. Jasmin erwähnt in ihrem Reisebericht auch, dass in Togo mehr als 40 Sprachen gesprochen werden. Wie lebt es sich unter diesen Voraussetzungen und was bedeutet das für die Menschen? Jasmins Antwort ist eindeutig. Die unterschiedlichen Sprachen bereichern die Gesellschaft und wecken das Interesse in Bezug auf die Herkunft der jeweiligen Gesprächspartner, so ihr Eindruck. Allerdings müssen alle Schülerinnen und Schüler in Togo mit Beginn ihrer Schulzeit erst einmal Französisch lernen, damit alle miteinander kommunizieren können.
Nach einer kurzen Fragerunde liest Jasmin weitere Passagen ihres Reiseberichts: Vor allem das Erbe der Kolonialzeit und durch diese existierenden besonderen Ausdrücke und Anreden im Umgang mit „Weißen“ beschäftigen Jasmin während ihres Aufenthalts immer wieder. So werde „Weißen“ oftmals nach wie vor unbegründet eine größere Kompetenz zugeschrieben als Menschen mit dunkler Haut. Wieder zuhause muss sich Jasmin erst wieder eingewöhnen, denkt oft an ihre Gastfamilie, die neuen Freunde und reflektiert das Konzept „Bundesfreiwilligendienst im Ausland“ umfassend und kritisch. Welche Rolle haben Freiwillige und warum sind Fotos von Promis oder Freiwilligen mit beispielsweise Waisenkindern problematisch? Reproduziert man so nicht nur bestehende Vorurteile über die Lebensrealität von Menschen im Globalen Süden und verfestigt damit diese als solche? Eine Antwort auf diese und viele weitere Fragen findet sich in Jasmins Buch.
Durch Jasmins Lesung zeigt sich, wie reich das Leben sein kann, wenn man seinem eigenen Kompass vertraut und sich auf Abenteuer einlässt.