Skip to main content

Deine Geschichte zählt

„Es tut weh, wie wenn ich eine Faust ins Gesicht bekomme.“

„Deine Geschichte zählt“

So lautet die Aktion, die der Verein Frauen helfen Frauen des Landkreises Darmstadt-Dieburg im März letzten Jahres gestartet hat. Frauen werden aufgerufen, ihre Erfahrungen mit und ihre Geschichten über Gewalt in Briefen zu formulieren, die dann anonym veröffentlicht werden, um anderen Frauen, die Gewalt erleben und die sich nicht trauen, darüber zu sprechen, zu helfen.

Die AG Schutzkonzept an der AES startet an jedem 25. November, dem internationalen Tag zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen, eine Aktion, um das Thema Gewalt und sexualisierte Gewalt in den Mittelpunkt zu rücken und um die Möglichkeit zu geben, darüber zu sprechen. Dabei ist es uns wichtig, dass wir über Gewalt im Allgemeinen sprechen und nicht nur über Gewalt gegen Frauen und Mädchen, denn auch Männer und Jungen erleben Gewalt und sind von ihr betroffen gleichzeitig ist unsere Schule Lebensraum für alle, in dem alle wichtig sind und gehört werden! Daher nutzen wir diesen Tag, um über Gewalt gegen alle Betroffenen zu sprechen.

Im November 2020 haben wir uns der Aktion des Vereins Frauen helfen Frauen angeschlossen und eine Aktion gestartet, die auch den Titel trägt „Deine Geschichte zählt“, aufgerufen sind aber alle Mitglieder der Schulgemeinde, ihre Geschichten von Gewalt zu erzählen.

Gerade in der jetzigen Situation erleben wir Gewalt – zu Hause zu sitzen und vieles von dem, was wir gerne tun möchten, nicht tun zu dürfen, ist auch eine Form von Gewalt, der wir ausgesetzt sind. Es ist eine notwendige Gewalt, aber dennoch ist es wichtig, darüber zu sprechen und sich darüber auszutauschen, um einander Mut zu machen. Auch darüber hinaus erlebt jeder und jede von uns Gewalt und hat Erfahrungen mit Gewalt gemacht. Lasst uns das aufschreiben, was uns beschäftigt, um es vielleicht auch miteinander zu teilen, denn es macht Mut, zu sehen, dass wir nicht allein sind!

Ihr könnt eure Geschichte in die aufgestellten Briefkästen werfen, wenn ihr wieder in die Schule geht oder ihr könnt sie per Mail an Frau Ast (ast@aesgb.de) schicken, oder ihr könnt sie per Post an das Sekretariat schicken (Frau Ast, Hügelstraße 20, 64401 Groß-Bieberau). Ihr braucht keinen Absender anzugeben und auch wenn das nicht möglich ist, ist garantiert, dass ihr anonym bleibt.

Einige Geschichten haben uns schon erreicht und sollen in Auszügen hier vorgestellt werden.


„Also ich fühle mich immer alleine und einsam. Manchmal höre ich die Jungs sagen, dass sie mich hassen und scheiße finden. Das ist vielleicht keine Gewalt, aber es ist o.k., wenn ich es erzähle. Es tut weh wie wenn ich eine Faust ins Gesicht bekomme.

Zum Beispiel: Wenn ich sehe, dass jedes Mädchen mit einem Jungen befreundet ist, außer ich, es tut weh und niemand weiß, wie weh es tut. Oder wenn Lehrer mich etwas fragen vor der ganzen Klasse und ich es nicht weiß, das ist peinlich. Oder wenn jeder brüllt ,Oh, ich hab‘ ne gute Note!‘ und ich in der Ecke sitze und mich frage ,Wieso ich nicht?‘ Ich fühle mich dann auch dumm. Ich habe einfach niemanden, ich weine manchmal auch, aber dann lache ich. DU BIST NICHT ALLEIN, DAS IST WICHTIG!“

„Ich hatte mal einen Freund, welcher mir immer das Gefühl gegeben hat, nicht genug zu sein. Er ging mir fremd und drehte es so, als wäre es alles meine Schuld. Er sagte mir, dass er zu wenig Freiheiten hat und sich deshalbgeritzt hat. Ich bin an dieser Beziehung so kaputt gegangen, dass ich jetzt selber in psychologischer Behandlung bin.“


„Als ich heftigen Streit mit meiner Mutter hatte und sie mich beleidigt hat und ich sie zurückbeleidigt habe. Da hat sie mich mit Vasen abgeschmissen. Dann ist mein Vater gekommen und hat sich mit meiner Mutter gestritten und sie haben sich wieder beleidigt.

Jetzt lebe ich bei meinem Vater.“


„Gewalt kann in den verschiedensten Formen vorkommen. Viele denken, dass Gewalt physisch den größten Schaden hinterlässt. Ich für meinen Teil denke, Gewalt hat größere Auswirkungen auf die Psyche. Am Beispiel einer Vergewaltigung. Eine Vergewaltigung ist physische Gewalt, aber ich glaube, dass niemand von sich auch nur vorstellen zu vermag, wie ein solches Vergewaltigungsopfer psychische Gewalt erlebt hat und verarbeiten muss. In den meisten Gewaltfällen leidet die Psyche enorm, da der Vorgang der Verarbeitung sehr hart ist und dadurch wird eine Person sehr ängstlich und unsicher. So möchte ich zum Ende sagen, es kann einem von der körperlichen Gewalt her harmlos vorkommen, aber der innerliche Prozess und die Psyche können sehr verletzt werden.“


„An einem Abend war ich bei meiner Oma und mein Vater und meine Mutter haben mich abgeholt. Ich habe Hausaufgaben bei meiner Oma gemacht und die hat meine Mutter dann nachgeschaut. Mein Vater war an seinem Handy, meine Mutter hat geglaubt, aber ich weiß nicht, ob das stimmt, gedacht hat sie, dass mein Vater sie mit einer anderen Frau betrügt. Ich saß mit meinem Bruder am Esstisch und meine Mutter hat dann, glaube ich, gesagt ,Schreibst du wieder mit deiner Freundin?‘ Da hat mein Vater gesagt ,Nein‘ und dann ist der Streit losgegangen. Sie haben rumgeschrien, aber sie haben nicht aufgehört. Und ich und mein Bruder waren dabei und mein Vater war dann irgendwie schon komisch. Ich durfte nicht mehr an sein Handy und er hat sein Handy beim Schlafen in der Hosentasche gehabt. Er war komisch und ich habe rumgeschrien, dass sie aufhören sollen zu schreien. Und meine Mutter hat gesagt, dass wir ins Bett gehen sollen.“


„Nach einer Kerb war ich noch mit Freunden draußen und sie mussten auf den Bus warten. Sie hatten einen24-Jährigen aufgegabelt, der auf der gleichen Kerb gewesen war und er musste mit dem gleichen Bus wie die anderen fahren. Ich saß auf dem Boden und auf einmal setzte sich dieser 24-Jährige, der komplett betrunken war, neben mich. Ich rutschte schon weg. Auf einmal war seine Hand an der Innenseite meines Oberschenkels und ich sagte ihm, dass er ekelhaft und pädophil sei und ging.“


Ich hab es doch nur gut gemeint

Gut gemeint ist nicht gut gemacht,

das wurde mir beigebracht.

Du hast es doch nur gut gemeint

und dennoch hat sie wegen dir geweint.

 

Wenn du nichts tust, wirst du wie sie.

Glaubst du, das belastet sie nicht oder nie?

Immer wieder zeigst du ihr die grausamen Bilder,

doch das macht ihr Gemüt immer wilder.

 

Zerstörst den Traum,

merkst es kaum.

Verblendet von deinen Vorstellungen

bemerkst gar nicht ihre Verstellungen.

 

Du merkst nicht, dass sie weint,

denn du hast es ja nur gut gemeint.

 


„Ich war mal mit drei Freundinnen an einem Wasserspielplatz, dann kamen noch so zwei ältere Jungs dazu und die haben mich die ganze Zeit beleidigt, weil ich die einzige war, die sie kannten. Wir wollten dann gehen, aber die sind uns hinterhergelaufen. Dann waren die weg und wir sind wieder zum Spielplatz gelaufen. Die Jungs sind dann wiedergekommen und haben uns mit Tannenzapfen abgeworfen. Er hat mich dann so sehr beleidigt, dass es mir gereicht hat und ich habe dann zurückbeleidigt. Er ist dann auf meine Mutter gegangen (beleidigt) und wenn es um meine Mutter geht, dann ist es echt zu viel. Er ist mir dann hinterhergerannt und hat mich dann an eine Wand geschubst und hat meinen Hals zugedrückt und ich habe keine mehr Luft bekommen. Ich lag am Boden und die Jungs sind abgehauen. Der Nachbar wollte fast den Krankenwagen anrufen.“


„Gewalt in der Schule kommt oft dadurch vor, dass eigentlich harmlose Hänseleien aufgegriffen werden und es so Ausmaße erlangt, deren Belastungen die Psyche der Opfer nicht mehr standhalten kann. Körperliche Gewalt kommt eher selten vor, da sich die Täter dabei enttarnen müssen. Das Internet bietet für derartige Taten einen hervorragenden Nährboden, da die meisten Opfer nicht genau wissen, wie man sich zur Wehr setzen soll.“